Im Jahr 2008 hat das Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz eine landesweite Streuobsterhebung veranlasst, die 2009 abgeschlossen wurde. Folgende Partner waren beteiligt:
- Universität Hohenheim, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, Prof. Dr. Klaus Schmieder, Dipl.-Biol. Alfons Krismann
- Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Prof. Dr. Christian Küpfer, Dipl.-Ing. Julia Balko
in Kooperation mit
- Dr. Thomas Heege, EOMAP GmbH & Co. KG
- Dr. Ralf Kirchner-Hessler
- Dr. Florian Wagner
Die Streuobsterhebung bestand aus zwei Teilen:
- Quantitative Erhebung mittels Fernerkundungsverfahren
- Qualitative Erhebung mittels Felddatenaufnahme
Vorgehensweise der quantitativen Erhebung mittels Fernerkundungsverfahren
Als Datengrundlage diente die in den Jahren 2000 bis 2005 vom damaligen Landesvermessungsamt Baden-Württemberg (heute Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung LGL) vorgenommene Laserscan-Befliegung der gesamten Landesfläche. Im Ergebnis entstand eine Datenbasis aus ca. 40 Mrd. Lage- und Höhepunkten, welche mit einer Auflösung von etwa einem Punkt pro Quadratmeter ein sehr genaues Abbild der Vegetations- und Bodenoberfläche des Landes darstellt. Ziel des Forschungsprojektes war die Identifizierung und Abgrenzung aller einzeln stehenden Streuobstbäume aus diesen Laserscan-Daten mittels automatisierter Fernerkundungsverfahren sowie ihre quantitative Analyse und räumliche Charakterisierung innerhalb eines geografischen Informationssystems (GIS).
Im ersten Analyseschritt erfolgte eine Reduktion der Datenmenge auf die Offenlandschaft mithilfe der Landnutzungsdaten des Digitalen Landschaftsmodells (DLM) des Amtlichen Topographischen Informationssystems (ATKIS) des LGL Baden-Württemberg. Wald- und Siedlungsgebiete wurden nicht ausgewertet.
Hier finden Sie eine schematische Darstellung der Einzelschritte der Datenprozessierung (Quelle: Prof. Dr. Schmieder/Universität Hohenheim).
Im zweiten Analyseschritt wurden eine Abgrenzung aller Offenlandgehölze mittels eines GIS-Algorithmus durchgeführt und über regelbasierte Verfahren Hecken und Feldgehölze ausgesondert. Parallel dazu wurden über ein an der FH München entwickeltes Verfahren (Reitberger et al. 2009a, b) zur Einzelbaumabgrenzung aus Laserscan-Daten die Standorte aller einzeln stehenden Bäume bestimmt. Die Kombination der hierbei entstandenen Datensätze ergab den Bestand aller einzeln stehenden Bäume Baden-Württembergs. Aus diesen wurden mittels regelbasierten GIS-Verfahrens alle Bäume ausgesondert, welche nicht als Streuobstbäume klassifiziert werden konnten oder die als sonstige Laub- oder Nadelbäume erkannt wurden.
Literaturangaben:
- REITBERGER, J.; KRZYSTEK, P.; STILLA, U. (2009a):
Möglichkeiten von First/Last Pulse und Full Waveform
Laserscanning zur 3D Kartierung von Wäldern. DGPF Tagung,
Jena, 24.- 26. März 2009
- REITBERGER, J.; KRZYSTEK, P.; STILLA, U. (2009b): Benefit of
Airborne Full Waveform LIDAR for 3D segmentation and classification
of single trees. Proceedings ASPRS 2009 Annual Conference,
Baltimore, MD, 09.-13. März 2009
Vorgehensweise der qualitativen Erhebung mittels Felddatenaufnahme
Mithilfe einer geschichteten Zufallsstichprobe wurden 120 für die Streuobstbestände Baden-Württembergs repräsentative Flächen mit einer Größe von jeweils 1 km² ausgewählt. Die räumliche Abgrenzung der Schichten der Stichprobe wurde mithilfe der Landsat2000 Klassifikation abhängig von der Anzahl der Streuobstbäume in der Landschaft durchgeführt. Die Auswahl der Flächen erfolgte auf der Grundlage von 405 Probeflächen des Brutvogelmonitorings des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA), um Synergieeffekte zwischen den Projekten zu nutzen.
Hier finden Sie eine Übersicht über die Probeflächen der Felddatenerhebung (Quelle: Prof. Dr. Küpfer/Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen).
Auf diesen Flächen wurden alle Obstbäume, die folgende Kriterien erfüllen, erfasst und anhand ihrer Baumart, Ertragsfähigkeit und ihres Schnittzustands charakterisiert:
- Stammhöhe mind. 1,20 m bis zum Kronenansatz
- Baumdichte max. 200 Bäume pro Hektar
- Baum steht außerhalb eines Hausgartens oder einer
Kleingartenanlage
- Baum steht außerhalb eines Streuobstgrundstücks, das
komplett verbuscht ist
Die Auswahl der Parameter, deren Einteilung sowie die oben dargestellten Bedingungen zur Erfassung der Bäume sind an die Definitionen der Obstbaumzählung 1965 angelehnt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleisten zu können.
Ergebnisse
Die Erfassung der Streuobstbäume Baden-Württembergs aus den Laserscan-Daten ergab einen Bestand von 9,3 Mio. Bäumen. Aufgrund der Tatsache, dass die verwendeten Laserscan-Daten aus den Jahren 2000 bis 2005 stammen, ist die Anzahl der Bäume auf das Jahr 2005 zu beziehen. Unterstellt man durchschnittlich 80 Bäume je Hektar Streuobst, resultiert daraus eine Streuobstfläche von landesweit 116.000 Hektar.
Hier finden Sie die Baumzahlen der einzelnen Landkreise (Quelle: Prof. Dr. Schmieder/Universität Hohenheim).
Umfang der Felderhebungen waren insgesamt 24.411 Obstbäume. Die Felddaten dieser Bäume wurden gemäß der Schichtung der Stichprobe auf die Streuobstbestände Baden-Württembergs hochgerechnet und vermitteln somit eine erste grobe Übersicht über deren qualitativen Zustand. Bezogen auf das gesamte Bundesland dominiert bei dieser Abschätzung die Baumart Apfel - ca. die Hälfte aller Streuobstbäume sind Apfelbäume. Ungefähr ein Viertel sind Kirschbäume, zwetschgenartige Bäume sind mit einem Anteil von 14 % vertreten, Birnbäume mit 11 % und Walnussbäume mit 4 %. Sonstige Baumarten sind nur vereinzelt beigemischt.
Im Hinblick auf den Altersaufbau zeichnet sich folgendes Bild ab: Der Anteil der abgängigen Bäume (12 %) wird vom dem der jungen Bäume (13 %) in etwa gedeckt. Auch wenn dieses Ergebnis zunächst generell positiv hinsichtlich des Bestandserhalts erscheint, muss es differenziert betrachtet werden. Der Schnittzustand der Bäume trägt entscheidend zur Lebensdauer und Ertragsfähigkeit und somit zum Fortbestand der Streuobstwiesen bei. Gerade in der Schnittpflege zeigen die Bestände aber große Defizite. Beim überwiegenden Teil der Bäume, auch der Jungbäume, wird ein regelmäßiger Baumschnitt versäumt.
Bilanzierung der aktuellen Ergebnisse mit den Ergebnissen der Obstbaumzählung 1965 und der Obstbaumerhebung 1990
Die nach der dargestellten Methode für das Jahr 2005 erhobene Streuobst-Baumzahl umfasst 9,3 Mio. Bäume (ohne die Bestände innerhalb der Siedlungsgebiete). Im Vergleich zur letzten quantitativen Schätzung im Jahr 1990 (Maag, 1992) haben die Streuobstbestände 2005 damit um 2,1 Mio. Bäume abgenommen. Im Jahr 1965 wurden noch ca. 18 Mio. Streuobstbäume gezählt, wobei allerdings damals auch Bestände innerhalb des Siedlungsbereiches mit erfasst wurden (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 1967).
Bei einem Vergleich der qualitativen Ergebnisse aus der Hochrechnung der aktuellen Felddaten mit den Ergebnissen der Obstbaumzählung von 1965 und der Obstbaumerhebung von 1990 werden Veränderungen im Aufbau der Streuobstbestände deutlich. Wie bereits 1990 erkennbar, ist im Hinblick auf die Artenzusammensetzung seit 1965 eine Zunahme des Kirsch- und Walnussanteils sowie eine Abnahme des Anteils an zwetschgenartigen und sonstigen Obstbäumen zu erkennen. Der Anteil der Apfel- und Birnbäume hat sich dagegen kaum verändert. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der verschiedenen Ertragsstufen ist seit 1965 eine deutliche Zunahme der „abgängigen Bäume" zu erkennen (ca. 12 %). Diese Zunahme ging vor allem zu Lasten der „ertragsfähigen Bäume", hier hat sich der Anteil um 8 % verringert. Aber auch der Anteil der „noch nicht ertragsfähigen Bäume" hat seit 1965 um 5 % abgenommen.